Spätestens seit Corona ist das Homeoffice massentauglich geworden. Und es könnte eine der wenigen positiven Dinge sein, die uns die Pandemie gebracht hat. Wenn sie produktiv eingesetzt und nachhaltig umgesetzt wird. Bislang fehlt hierbei leider weiterhin jede Spur. Die Ankündigung eines Gesetzes zum mobilen Arbeiten ist von seinem Inkrafttreten scheinbar Lichtjahre entfernt. Leider! Denn Homeoffice könnte eine Brücke schlagen im schwierigen Spannungsfeld der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Homeoffice Bewertung seitens der Politik
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Homeoffice längst als gut geeignet eingestuft, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Umso trauriger, dass aus dieser guten, wenngleich offensichtlichen Erkenntnis keine Taten folgen. Aber dafür ist wiederum das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zuständig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sagt selbst in einem Interview Anfang 2022: „Wir brauchen einen modernen Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten.“ Das klingt hoffnungsvoll, wenn man den Politikern in der heutigen Zeit den Vertrauensvorschuss geben möchte, mehr als Worte zu produzieren. Selbstverständlich habe ich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angeschrieben, um nach einem zeitlichen Rahmen für den Gesetzesentwurf zu fragen. Lies hier die Antwort vom Bundesministerium auf meine Anfrage!
Ist das Arbeiten zu Hause nicht nur eine Nische?
Selbstverständlich funktioniert ein produktives Homeoffice nur, wenn die entsprechenden Gegebenheiten erfüllt sind. Es erschließt sich von selbst, dass nicht jede Arbeit im Homeoffice erledigt werden kann. Allerdings scheint das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. Während zu Homeoffice Spitzenzeiten während des Corona Lockdowns etwa 28% der Beschäftigen in Deutschland zu Hause blieben, rechnet IFO mit einem Gesamtpotential von 56%. D.h. mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland könnte seine Arbeitsleistung auch aus den eigenen vier Wänden erfüllen. Nach dem klaren Urteil über die positive Auswirkung auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedarf es hier definitiv eines rechtlichen Rahmens, damit Arbeitnehmern diese Möglichkeit auch vermehrt zur Verfügung steht.
Voraussetzungen für das Homeoffice
Homeoffice ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn zu Hause auch effektiv gearbeitet werden kann. Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt nicht, dass man sich der Illusion hingeben könnte, Betreuungsarbeit sei zeitgleich mit beruflicher Arbeit unter einen Hut zu bringen. Im Ausnahmefall habe auch ich mal während einer E-Mail oder eines Telefonats ein Kind auf dem Schoß. Aber effektive, konzentrierte Arbeit bedeutet auch eine Trennung zwischen Arbeitsalltag und Familientrubel.
Im März 2020, der Mutter aller Corona-Lockdowns, mussten wir uns vor unserer damals knapp zweijährigen Tochter richtiggehend verstecken, um in Ruhe arbeiten zu können. Die Kita hatte zu, alle Spielplätze waren abgeriegelt, mein Mann und ich waren beide im Homeoffice. Wir hatten das große Glück einer flexibel einsetzbaren Großmutter. Und trotzdem war unsere Tochter noch nicht in der Lage zu verstehen, dass wir Eltern zwar war da waren, aber keine Zeit für sie hatten. Heute ist sie vier und versteht, dass wir arbeiten müssen. Viel länger als fünf Minuten Verständnis hat sie dafür aber leider immer noch nicht.
Home-Office kann aus unserer eigenen Erfahrung heraus nur funktionieren:
- bei räumlicher/zeitlicher Trennung zwischen Familie und Beruf zu Hause
- einem der Tätigkeit angemessen eingerichteten Arbeitsplatz
- ausreichend starker Internetverbindung
Wer das nicht für sich gewährleisten kann, sollte seinem Arbeitgeber gegenüber auch so ehrlich sein, kein Homeoffice in Anspruch zu nehmen. Vertrauen ist das A und O.
Vertrauen als Grundlage
Homeoffice funktioniert nur, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer vertrauen kann. Viele Arbeitnehmer im Homeoffice spornt dies besonders zu Hochleistungen an. Man will bei diesem Vertrauensvorschuss seinen Chef natürlich nicht enttäuschen. Leider gibt es auch schwarze Schafe unter den Arbeitnehmern, die das Privileg für Homeoffice dazu missbrauchen, einen lauen Lenz zu schieben. Eine gute, vertrauensvolle Beziehung zwischen Arbeitnehmer und -geber ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Ein gesetzlicher Rahmen ist trotzdem die unbedingt notwendige Grundlage, um den Anstoß in die richtige Richtung zu geben.
Homeoffice durchsetzen
Wer gegenüber seines Arbeitgebers Homeoffice durchsetzen will, ist nach aktueller Rechtslage weiterhin auf dessen Wohlwollen angewiesen. Es gibt bis auf Weiteres keinen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten. Und hier scheint seitens der Arbeitgeber immer noch viel Misstrauen zu herrschen. Vielleicht hilft es, gerade hinsichtlich Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Vorteile aufzuzeigen.
Die Vorteile von Homeoffice
- Kein Zeitverlust durch Pendeln. Pendelzeit ist Lebenszeit. Solange ich noch keine Kinder hatte, war ich hier sehr kompromissbereit. Aber jetzt zählt jede Minute, die ich durch Pendelei sinnlos verschwende und die weder auf meine Arbeitsleistung einzahlt noch meinen Kindern zugutekommt. An jedem Tag, an dem ich nicht ins Büro muss, gewinne ich ein Stück Lebenszeit.
- Keine Mehrkosten durch Benzinverbrauch. Seit der Energiekrise belastet jeder gefahrene Kilometer zusätzlich den Geldbeutel. Andersherum betrachtet spart man im Homeoffice aber nicht nur Geld, sondern tut auch der Umwelt einen Gefallen. Das sollte auch deinen Arbeitgeber nicht ganz kaltlassen.
- Größere Flexibilität in der Arbeitszeitverteilung, die beiden Seiten zugutekommt. Als Mutter kennt man den unschlagbaren Vorteil davon, morgens schon mal eben eine Waschmaschine anzuwerfen. Dauert 3 Minuten und bringt den Haushalt um Stunden nach vorne 😉 Auf der anderen Seite kann man auch außerhalb der vertraglich geregelten Arbeitszeit schnell noch eine E-Mail schreiben, wenn das Baby schläft und das Kleinkind in der Mittagspause ein Bild malt. Die Voraussetzung dafür ist natürlich der Arbeitsrechner vor Ort.
- Keine Ablenkung durch Kollegen. Wer kennt ihn nicht, den Kollegen, der zum Schwatzen vorbeikommt. Insbesondere für Mütter, die eine Deadline haben, weil sie ihre Kinder aus der Betreuung abholen müssen, kann das zum Verhängnis werden. Dagegen genießen zu Hause viele Arbeitnehmer die Ruhe und Möglichkeit, Arbeiten, die einen hohen Grad an Konzentration abverlangen, ungestört zu Ende zu bringen.
- Bessere Work-Life-Balance. Der Schlüssel zum Erfolg ist das richtige Gleichgewicht. Nicht nur bei Mama-Managern wie dir und mir. Noch recht unbekannt ist der Begriff des Work-Life-Blendings, einer Verschmelzung von Beruf- und Privatleben. Die Grenzen werden in Zukunft hier schwammiger werden, was natürlich das Risiko birgt, immer irgendwie im Dienst zu sein. Aber der Begriff kann auch positiv verstanden werden und für Eltern ein echter Ausweg aus der Zwickmühle, zwischen Zeit für die Familie und Zeit für den Job unterscheiden zu müssen. Die Gestaltung des mobilen Arbeitens wird hier eine Schlüsselrolle spielen.
Im Gespräch mit dem Vorgesetzten ist es sicher auch hilfreich, auf die Nachteile und Vorurteile von Homeoffice einzugehen.
Die Nachteile und Vorurteile von Homeoffice
- Ablenkung zu Hause. Eine große Sorge vieler Arbeitgeber scheint es, dass Arbeitnehmer von ihrem Privatleben abgelenkt sind und dadurch deren Arbeitsleistung sinkt. Hier ist es sicher hilfreich, dem Chef zu erklären, dass man nicht auf dem Sofa arbeitet, mit einem Baby auf dem Schoß und einem Kleinkind im Nacken, dass einem dabei die neuste Frisur stylt. Räume mit den Vorurteilen auf und gebe deinem Vorgesetzten eine klare Vorstellung davon, wie er sich deine Arbeit von zu Hause vorzustellen hat.
- Erschwerte Kommunikation mit dem Team. Trotz Videotelefonie und unternehmensinternen Chatprogrammen ist der persönliche Kontakt natürlich unersetzlich. Ausschließlich im Homeoffice zu arbeiten, wird daher häufig schwer durchzusetzen und sicherlich meist auch nicht sinnvoll sein. Insbesondere für Mamas, die in Teilzeit arbeiten, ist es besonders wertvoll, sich weiterhin im Büro blicken zu lassen. Für die Karriereentwicklung ist es nun mal nicht nur wichtig, einen guten Job zu machen, sondern auch dabei gesehen zu werden.
- Verlorenes Teamgefühl. Das klassische Kaffeeküchengespräch und der Flurfunk gehen natürlich an einem vorbei, wenn man zu Hause bleibt. Umso wichtiger, für regelmäßige Teammeetings vor Ort zu sein und auch von zu Hause eher mal zum Hörer zu greifen als noch eine E-Mail zu schreiben. Aber auch hier unterstützt die zunehmende Digitalisierung mit Gruppenchats und virtuellen Kaffeecalls.
Um den Arbeitgeber als langsam an das Konzept Homeoffice als einer Win-Win-Situation heranzuführen, empfiehlt es sich, nach einem gewissen Zeitkontingent im Homeoffice zu fragen und dies den Gegebenheiten entsprechend auszuweiten. Wichtig ist, dabei trotzdem im Unternehmen präsent zu bleiben. Man will sich ja auch nicht selbst auf das Karriereabstellgleis befördern.
Das häusliche Arbeitszimmer von der Steuer absetzen
Solange der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, sind die Möglichkeiten des Absetzens und Steuernsparens hier leider sehr begrenzt. Nur wenn das Arbeitszimmer vertraglich den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt oder der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz anbietet, lassen sich wirklich Steuern sparen. Für den Großteil der Arbeitnehmer wird das eigene Arbeitszimmer nicht absetzbar sein.
Für die letzten zwei Jahre hat der Gesetzgeber aufgrund der Corona Pandemie eine Homeoffice-Pauschale eingeführt. Hierbei lassen sich pauschal 5 € pro Tag von der Steuer absetzen, maximal 600 € pro Kalenderjahr. Was großzügig klingt, verpufft leider für viele. Die Homeoffice-Pauschale wird in der Steuererklärung als Teil des Arbeitnehmerpauschbetrags, auch bekannt als Werbekostenpauschale, berechnet. Hier stehen jährlich jedem Arbeitnehmer 1.000 € zur Verfügung. D.h. nur, wer es gemeinsam mit dem Rest seiner Werbungskosten über die 1.000 € Pauschale bringt, spart tatsächlich Steuern. Einer der Haupttreiber für die Werbungskosten ist jedoch die Pendlerpauschale zum Arbeitsplatz von 30 Cent pro Kilometer. Und diese lassen sich natürlich nicht mehr geltend machen, wenn man von zu Hause arbeiten. Bedeutet im Klartext: was klang wie eine faire und notwendige Steuerentlastung, kam bei vielen Arbeitnehmern nie an.
Fazit: Homeoffice als Chance zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Homeoffice ist ein tolles Mittel, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Obgleich die Einrichtung deines Arbeitsplatzes zu Hause rein finanziell ganz überwiegend dein Privatvergnügen bleiben wird, sind die vielen Vorteile davon, zumindest einen Teil der wöchentlichen Arbeitsleistung von zu Hause aus zu absolvieren, nicht von der Hand zu weisen. Unterm Strich sollte der Fokus des Arbeitgebers auf dem Ergebnis deiner Arbeit liegen und nicht darauf, wo du dein tägliches Arbeitswerk vollbringst.
Aber solange der rechtliche Rahmen für einen Anspruch auf Homeoffice fehlt, obliegt es leider deinem Arbeitgeber, diese Entscheidung für dich zu treffen. Hier besteht eindeutiger Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers, die richtige Grundlage zu schaffen und damit insbesondere Familien dabei zu unterstützen, die berufliche und private Welt in eine für alle Beteiligten gut funktionierende Balance zu bringen.